BRAK-Mitteilungen 3/2021

unternehmen ist. Dem steht auch nicht die Entschei- dung des BGH v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18 – in der Sache „wenigermiete.de“ entgegen. Zwar hat der BGH dort (Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89-177 Rn. 225) ausgeführt, der klageweisen Durchset- zung stehe die Zielsetzung des Rechtsdienstleistungsge- setzes, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistun- gen zu schützen, grundsätzlich jedenfalls dann nicht entgegen, wenn ein Rechtsanwalt als unabhängiges Or- gan der Rechtspflege mit der Durchführung des streiti- gen gerichtlichen Verfahrens beauftragt werde; zuvor hatte der BGH aber umfänglich geprüft, ob die dortige Materie des Wohnungsmietrechts unter § 11 I RDG fällt. Also wurde von dem Erfordernis der eigenen Sach- kunde des Inkassodienstleisters für die betroffene Mate- rie erkennbar nicht abgerückt (vgl. auch deutlich bezo- gen auf die Tätigkeit eines Inkassodienstleisters Hart- mann , NZM 2019, 353, 358: „Denn dass Rechtsanwäl- te für eingetragene Rechtsdienstleister als Erfüllungsge- hilfen tätig werden, legalisiert nicht die unzulässige Er- bringung von Rechtsdienstleistungen durch diese Un- ternehmen“; i.E. bzgl. Inkassounternehmen auch LG München I, Endurt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841 Rn. 131: „Eine unerlaubte Rechts- dienstleistung wird jedoch nicht dadurch zulässig, dass sich der Rechtsdienstleister eines Rechtsanwaltes be- dient“). [299] ff) Eine Erlaubnis der Tätigkeit der Kl. für die Ze- denten folgt auch nicht aus § 5 I 1 RDG. [300] Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistun- Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist gem. § 5 I 2 RDG nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit un- ter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurtei- len, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. [301] Nach diesen Voraussetzungen ist die zunächst außergerichtliche sowie dann gerichtliche Durchset- zung der streitgegenständlichen Forderungen durch die Kl. für die Zedenten keine Nebentätigkeit zu einer Haupttätigkeit. [302] (1) Nach dem Bewertungskriterium „Inhalt“ der (etwaigen) Nebenleistung kann schon für sich genom- men nicht von einer Nebenleistung ausgegangen wer- den. [303] Dieses Kriterium unterstreicht, dass im Besonde- ren die Schwierigkeit und Komplexität der Rechtsdienst- leistung ausschlaggebend sind (RegE BT-Drs. 16/3655, 54; auch BeckOK RDG/ Hirtz , 13. Ed. 1.4.2020, RDG § 5 Rn. 39). Ist nach dem objektiven Inhalt der übernomme- nen Pflichten erkennbar, dass deren ordnungsgemäße Erfüllung eine vollwertige rechtliche Ausbildung eines Rechtsanwalts oder seine besondere Pflichtenposition als „Organ der Rechtspflege“ voraussetzt, darf keine Keine erlaubte Nebenleistung gen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit er- laubt, wenn sie als Neben- leistung zum Berufs- oder

Nebenleistung mehr angenommen werden (BeckOK RDG/ Hirtz , § 5 RDG Rn. 39; vgl. auch RegE BT-Drs. 16/ 3655, 54). [304] Vorliegend setzt die Durchsetzung der streitge- genständlichen Ansprüche – wie dargestellt – besonde- re rechtliche Kenntnisse voraus. Das Kartellschadenser- satzrecht im Allgemeinen und die vorliegenden Ansprü- che (einschließlich der Quantität bei 63 Zedentinnen und 949 Vorzedenten) im Besonderen erreichen eine solche Komplexität, dass – wie gezeigt – die Durchset- zung auch von einer „bloßen“ Inkassodienstleistung nicht gedeckt ist. Erst recht kann nicht mehr von einer „Nebenleistung“ ausgegangen werden. [305] (2) Das weitere Bewertungskriterium „Umfang“ spricht ebenfalls gegen die Annahme einer bloßen Ne- benleistung. [306] Der Begriff des „Umfang“ beschränkt sich nicht auf den anteiligen Zeitaufwand an der Gesamttätig- keit (BeckOK RDG/ Hirtz , § 5 RDG Rn. 41; RegE BT-Drs. 16/3655, 54). Vor allem wird ein qualitatives Krite- rium eingeführt (BeckOK RDG/ Hirtz , 13. Ed. 1.4.2020, RDG § 5 Rn. 41), nach welchem es insbesondere auf die Intensität der Rechtsprüfung ankommt (BeckOK RDG/ Hirtz , § 5 RDG Rn. 41). Ist diese hoch, wird (ten- denziell) keine bloße Nebenleistung mehr anzuneh- men sein. [307] Vorliegend ist wie ausgeführt von einer hohen In- tensität der erforderlichen rechtlichen Prüfungen auszu- gehen, so dass auch dieses Bewertungskriterium gegen eine bloße Nebenleistung streitet. [308] (3) Schließlich spricht auch das Kriterium „sach- licher Zusammenhang“ mit einer „Haupttätigkeit“ ge- gen die Annahme einer bloßen Nebenleistung. [309] (a) „Nebenleistungen“ sind danach jedenfalls rechtliche Beratungs- und Aufklärungspflichten, ohne die die eigentliche Tätigkeit – die „Hauptleistung“ – nicht auszuführen ist (vgl. BGH, NJW 2012, 1589, 1590). Insoweit ist schon nicht zu erkennen, welche „Hauptleistung“ die Kl. sonst – d.h. ohne die Beitrei- bung der streitgegenständlichen Forderungen als „Ne- benleistung“ – nicht ausführen könnte. [310] (b) Darüber hinaus genügen nach zutreffender h.M. allerdings auch andere Zusammenhänge. Erfor- derlich ist aber „stets eine innere, inhaltliche Verbin- dung zur Haupttätigkeit“ (BGH, NJW 2013, 59). Dies wiederum setzt voraus, dass die Nebenleistung entwe- der zum Ablauf oder aber zur Abwicklung des Hauptge- schäfts dazugehört (BeckOK RDG/ Hirtz , § 5 RDG Rn. 46), d.h. die Nichterbringung der Nebenleistung da- zu führt, dass damit die sachgerechte Erfüllung der Hauptleistung durch den Anbieter beeinträchtigt wird (BeckOK RDG/ Hirtz , § 5 RDG Rn. 46). [311] gg) Die Erlaubnis ergibt sich auch nicht aus § 6 I RDG, wonach eine Rechtsdienstleistung erlaubt ist, wenn sie „unentgeltlich“ erfolgt. Die Kl. selber behaup- tet nicht, dass sie unentgeltlich tätig wird. Vielmehr be- treibt die Kl. die Geltendmachung von behaupteten

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