BRAK-Mitteilungen 3/2021
JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT
sie mit einer durch das Gericht einzuholenden Über- setzung beantragt und den vom Gericht angeforder- ten Auslagenvorschuss unverzüglich einzahlt. BGH, Urt. v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, WM 2021, 745 Ein Insolvenzverwalter hat hier Insolvenzanfechtungs- ansprüche gegen eine Beklagte mit Sitz in Frankreich geltend gemacht durch am 15.12.2015 beim LG Darm- stadt eingereichte Klage. Mit Klageeinreichung wurde auch um Übersendung einer Kostenrechnung für die notwendige Übersetzung gebeten. Der Gerichtskosten- vorschuss wurde am 29.12.2015 angefordert und am 31.12.2015 durch den Kläger eingezahlt. Am 15.1. 2016 ging beim Kläger eine Anfrage des Gerichts ein, ob die Klageschrift übersetzt werden solle, die unmittel- bar darauf beantwortet wurde. Der Auslagenvorschuss für die Übersetzung wurde dann am 28.1.2016 durch das Gericht angefordert, Zahlung erfolgte am 5.2. 2016. Daraufhin erteilte das Gericht den Auftrag zur Übersetzung. Nachdem aber mehrere Übersetzer zu- nächst den Auftrag unbearbeitet zurückgegeben hat- ten, erfolgte die Zustellung der dann doch noch über- setzten Klageschrift erst am 9.12.2016. Während das LG der Klage stattgegeben hatte, meinte das OLG, der Anspruch sei verjährt, da keine Rückwir- kung von der Zustellung auf die rechtzeitige Klageein- reichung durch „demnächstige“ Zustellung erreicht wer- den konnte. Nach europäischem Recht könne der An- tragsteller wählen, ob er der Klage eine Übersetzung beifügen möchte. Entscheide er sich dafür, obliege es ihm, für die Übersetzung zu sorgen. Die Zustellung hät- te auch ohne Übersetzung erfolgen können. Deshalb müsse sich der Kläger die verspätete Zustellung zurech- nen lassen. 9 Der BGH hob das Urteil auf und wies an das OLG zu- rück. Eingangs stellt der Senat klar, dass § 167 ZPO auch bei Auslandszustellungen gilt, auch wenn sich die Zustellung hier konkret nach den Vorschriften der EuZ- VO richtet. § 167 ZPO sei ein Anwendungsfall des Art. 9 II EuZVO. Entscheidend für die Frage, ob ein Schriftstück noch „demnächst“ zugestellt worden ist, sei es, ob und inwieweit die Partei oder ihre Prozessbevoll- mächtigten durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Regelmäßig geringfügig sei eine Zeitdauer von bis zu zwei Wochen ab Ablauf der Verjährungsfrist.
Der BGH sieht sodann in der Bitte, die Klageschrift mit Übersetzung in Frankreich zuzustellen, keine solche Nachlässigkeit. Wie die angesprochene Wahlfreiheit nach europäischem Recht nun auf die Obliegenheiten des § 167 ZPO wirkt, war bislang noch nicht höchstrich- terlich geklärt. Zum Teil wird vertreten, dass § 167 ZPO die Wahlfreiheit einschränke und der Antragsteller nur eine Zustellungsvariante wählen darf, die nicht zu mehr als geringfügigen Verzögerungen führe. Der BGH ent- scheidet sich gegen diese Auffassung und meint, die ge- setzlich (hier durch die EuZVO) eröffnete Wahlfreiheit dürfe nicht durch die in § 167 ZPO normierten Oblie- genheiten eingeschränkt werden. Daher sei keine Nach- lässigkeit erkennbar, wenn der Antragsteller so wie hier vorgehe. Würde man vom Gegenteil ausgehen, wäre die Zustellung ohne Übersetzung der Regelfall, was we- der den Interessen des Empfängers noch denjenigen des Antragstellers entspreche. Dem Kläger seien auch nicht deshalb Nachlässigkeiten vorzuwerfen, weil er die Übersetzung nicht selbst ange- bracht hatte, sondern durch das Gericht in Auftrag ge- ben ließ. Ein Kläger dürfe grundsätzlich bis zum letzten Tag des Fristablaufs zuwarten, müsse aber dann auch alles Zumutbare unternehmen, um die Voraussetzun- gen einer alsbaldigen Zustellung zu schaffen. Habe er das getan und liege dann das weitere Zustellungsver- fahren in den Händen des Gerichts, habe er nicht noch das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und auf größtmögliche Beschleunigung hinzuwirken. Für diese Annahme fehle die rechtliche Grundlage. Nachfrage- pflichten bestünden allenfalls dann, wenn die Vor- schussanforderung bezüglich der Gerichtskosten aus- bleibt, weil der Kläger in diesem Fall wisse, dass die Zahlung als Zustellungsvoraussetzung noch aussteht. Vorliegend aber seien alle vom Kläger zu veranlassen- den Zustellungsvoraussetzungen binnen kleiner Zeiträu- me geschaffen worden, so dass auch keine Nachfrage- pflicht mehr bestünde. Außerdem habe er sich sogar tatsächlich mehrfach bei Gericht nach dem Sachstand erkundigt. Dem IX. Zivilsenat wurde zwar ein Fall zur Prüfung vor- gelegt, der wegen des internationalen Bezugs nicht un- bedingt zum täglichen Geschäft von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gehört, aber dennoch die Fragen der demnächstigen Zustellung gem. § 167 ZPO aus- führlich abwägend in vielen Facetten erläutert, so dass die Lektüre auch für den „Alltagsgebrauch“ sehr loh- nend ist. (bc)
9 Das Berufungsurteil ist u.a. veröffentlicht in ZIP 2019, 2121
BRAK-MITTEILUNGEN 3/2021 AUFSÄTZE
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